EINLEITUNG

Die Entwicklung vom Urpferd mit einer Schulterhöhe von etwa 30 cm zum heutigen Pferd hat für dessen Halteapparat eine Reihe von Adaptionsproblemen aufgeworfen. Bei Betrachtung der Vordergliedmaßen erforderte die Verkümmerung der ursprünglich vierzehigen Extremität hin zu einer eingliedrigen Form besondere anatomische Anpassungen der Rarefizierung.

Abb. 1, 2: Messeler Urpferd (Hessisches Landesmuseum Darmstadt)

Vergesellschaftet mit evolutionsbedingten Veränderungen sind nahezu immer auch degenerative Tendenzen. Die gemessen an der Entwicklungsgeschichte erst sehr späten (seit der Bronzezeit) deutlich veränderten Lebensbedingungen einer Haustierhaltung haben zur Ausprägung spezifischer Krankheitsbilder beim Pferd beigetragen, weil eben jene zwanghafte Tierhaltung den besonderen Anforderungen des subtilen Extremitätenaufbaus nie ganz gerecht werden kann.


Eine bedeutende Lahmheitsursache bei Spring- und Dressurpferden ebenso wie bei Quarter Horses aber durchaus auch bei anderen Rassen stellt die Hufrollennekrose (Podotrochlose) dar. Dabei kommt dem Strahlbein als multifunktionellem Knochenorgan eine zentrale Rolle zu. Als Vermittler der mechanischen Funktion der tiefen Beugesehne wird das Strahlbein in unterschiedlicher Intensität Druck-, Zug- und Scherkräften ausgesetzt. Die paarige Aufhängung mittels der Seitenbänder und das solitäre Strahlbein-Hufbein-Band mit seinen vorrangig straffen kollagenen Fasern erlauben dem Strahlbein nur eine sehr sparsame Restbeweglichkeit. Dies ermöglicht dem Strahlbein wegen dieser relativen Stabilität gemeinsam mit dem Hufbein die Gelenkpfanne für das Kronbein zu bilden. Aus dieser Doppelfunktion resultiert jedoch eine besondere Labilität im Hinblick auf Traumatisierung durch Verdrehbewegungen und dauerhafte Beanspruchung im Stehen bei fehlender Wechsellast, da die straffe bindegewebige Verankerung kaum Ausweichmöglichkeiten bietet.


Bezeichnend erscheint dabei der Umstand des Auftretens des Erkrankungsbildes. Überwiegend sind Tiere zwischen vier und neun Jahren betroffen, ein Alter, in dem die arterielle Gefäßversorgung des distalen Strahlbeinanteiles nicht in allen Fällen bereits vollständig ausgeprägt ist. Abhängig von der individuellen Beanspruchung, der Hufpflege und der Untergrundwahl besteht somit lokal ein chronisches Defizit in der Ernährungssituation des Strahlbeines. Dazu paßt das bilaterale Vorkommen des Erkrankungsbildes in weit über 50 % der Fälle.


Therapeutisch konnte bisher lediglich eine Minderung des klinischen Erscheinungsbildes durch symptombezogene Behandlungsansätze erzielt werden. Korrigierende und medikamentöse Maßnahmen führen bei gleichzeitiger Ruhe oder Trainingsausfall meist nur kurzfristig zu Besserung. Auch der häufig durchgeführte Nervenschnitt (Neurektomie der Palmaräste der Nervi digitales palmares) kann zahlreiche Komplikationen nach sich ziehen. Langstreckige Nervenregenerate, Neuromentwicklung oder Sehnendegeneration mit Ruptur werden nicht selten beobachtet. Außerdem hat die Densensiblisierung durch das Kappen des versorgenden Nerven mangelnde Kontrolle beim Auftreten mit entsprechender Unsicherheit, bzw. Stolperneigung zur Folge.


Dieser Umstand legt die Auseinandersetzung mit weiteren Therapieansätzen nahe. Deshalb wurde im Rahmen einer Studie das aus der Humanurologie und -orthopädie entlehnte Verfahren der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) so adaptiert, daß es zur Behandlung der Podotrochlose zum Einsatz kommen konnte.